Gemeinsam stark durch gelebte Demokratie

Modelle und ethische Grundhaltungen

Zu diesem mehrtägigen Projekt hatte der deutsch-französisch-englische Verein Gauting e.V. (DFEV) rund um den  Französischen Nationalfeiertag am 14. Juli 2024 aufgerufen. Nicht nur Vertreter der beiden Partnerstädte, Gauting und Clermont-L’Hérault, sondern auch die interessierte Öffentlichkeit und Schüler der örtlichen Schulen waren dazu eingeladen.

Banner am Rathaus Gauting

Am Samstag wurde zunächst der Gärtnerhof Sonnenwurzel bei Reichling besichtigt. Dieser Biohof wird nach dem Prinzip der „Solidarischen Landwirtschaft“ geführt. Darunter versteht man ein Zusammenschluss von Verbrauchern mit einem Partner-Landwirt oder Partner-Gärtner, um ökologische, bio-organische, lokale Nahrungsmittel zu erhalten. Die Vielzahl an im Gärtnerhof angebauten Gemüse- und Kräutersorten war verblüffend und die Kräuter, wie das Franzosenkraut, konnten probiert werden. Das ist alles andere als Monokultur. Kein Wunder, dass dort zahlreiche Insekten- und Vogelarten  zu Hause sind. Ein Pestizid- und Insektizidfreies kleines Paradies – ohne synthetische Düngemittel, ohne Einsatz von großen Maschinen, die den Boden weniger durchlässig machen für den Regen. Der Gärtnerhof arbeitet nach dem Prinzip der Permakultur, d.h. dort werden Ökosysteme und Kreisläufe in der Natur beobachtet und nachahmt. Eigentlich sollte der Gemüseanbau überall so erfolgen! Die Besucher konnten es gar nicht glauben, als der Gärtner Marcel Nussberger auf einer Nachfrage nach Subventionen sagte:  „Für die EU sind wir zu klein. Wir erhalten keine Subventionen.“  Wir bräuchten aber gerade viele kleine Gärtnerhöfe wie diesen, um unseren Boden und die Biodiversität für zukünftige Generationen zu erhalten und um  flexibler auf Klimaänderungen zu reagieren.

Gärtnerhof Sonnenwurzel

Am Sonntag stand der Besuch von Schloss Blumenthal, ein Kultur-, Tagungs- und Veranstaltungszentrum,  auf dem Programm. Auch dort gibt es eine Landwirtschaft, die solidarisch betrieben wird. Müllvermeidung ist eine Selbstverständlichkeit. „Wir haben uns entschieden,  einige Schweine zu halten, damit die Ziegenmolke, die bei der Herstellung von hofeigenem Ziegenkäse entsteht, verfüttert und nicht einfach entsorgt wird.  Unsere hofeigenen Schweine fressen diese gerne“, hob Geschäftsführer Martin Horack hervor. Bei einem Vortrag im Anschluss an ein an Frische nicht zu überbietendem exzellenten Mittagessen, erläuterte Martin Horack, dass Blumenthal nach dem Prinzip der Gemeinwohl-Ökonomie (GÖW) geführt wird. D.h., dass bei der Verfolgung der unternehmerischen Ziele auch ein Beitrag zum Gemeinwohl geschaffen wird. Die Existenzbedingung von Menschen und Natur werden respektiert und machen das GWÖ so überzeugend.  Anhand einer GWÖ-Matrix mit 20 Gemeinwohl-Themen, wie Menschenwürde am Arbeitsplatz, Förderung des ökologischen Verhaltens der Mitarbeitenden, Transparenz und gesellschaftliche Mitentscheidung, werden GÖW-Unternehmen, Organisationen und Gemeinden  bewertet. Horack betonte, dass der Lobbyismus in den letzten Jahren stark zugenommen hat und dabei ist, die Demokratie auszuhöhlen.

Schloss Blumenthal – Biergarten
Schloss Blumenthal – Blick in die Gartenanlage

Im Anschluss am Besuch von Schloss Blumenthal wartete noch ein Besuch der Sozialsiedlung Fuggerei bei Augsburg. Um dort zu wohnen, muss man bedürftiger Augsburger sein. Die Jahresmiete beträgt seit Gründung vor etwa 500 Jahren 88 Cent im Jahr. Die Türen sind allerdings von 22 Uhr abends bis 5 Uhr in der Früh geschlossen und man muss mit den zahlreichen Touristen zurechtkommen.

Besuch der Fuggerei in Ausgburg

Am dritten Tag ging es darum, die Gemeinwohl-Ökonomie sowie die ethischen Grundwerte der Demokratie auch bei Schülern zu thematisieren und zu diskutieren. Dazu wurden drei Ideenwerkstätte gebildet: eine für die Erwachsenengruppe aus der Partnerstadt Clermont-L‘Hérault, eine für die Erwachsenengruppe aus Gauting und Umgebung und eine für die ca. 15jährigen Gautinger Schüler der Realschule Gauting.Leidenschaftlich diskutierten die Schüler wie auch die Erwachsenen im Workshop zu den ethischen Grundhaltungen, der von Dr. Linda Sauer durchgeführt wurde, die Werte der Demokratie. Karl-Heinz Jobst vom Umweltzentrum Gauting Öko & Fair erklärte anschaulich den Prozess einer möglichen Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie in einer Gemeinde. Im dritten Workshop führte Renate Arnold die Jugendlichen wie auch die Erwachsenen in Form eines Planspiels spielerisch an das Thema Nachhaltigkeit und Wertesysteme in der Demokratie heran.

Am Abend fand ein DFEV-Empfang im Tati statt. Dieser wurde vom talentierten Trachtler Sandro Neugebauer musikalisch eröffnet. Der zweite Bürgermeister Herr Dr. Jürgen Sklarek begrüßte alle Anwesenden und bedankte sich für die Durchführung des Projektes beim Vereinsvorstand des DFEV. Es folgte eine Präsentation der Ergebnisse der Workshops und eine Filmvorführung „Hinterm Deich wird alles gut“ mit Filmgespräch.

Vor dem Kino Breitwand

Am Tag der Abreise der französischen Teilnehmer nahm sich der Bürgermeister Feldafings Bernhard Sontheim, Zeit, um den französischen Gästen die Gemeindewiesen, auf denen er in den letzten Jahren Gemüse vom Bauhof für die Feldafinger anbauen ließ, zu zeigen und sein Projekt zu erklären. „Die Kitakinder in dem hier angrenzendem Gebäude konnten das Gemüse regelrecht wachsten sehen, es gießen und auch ernten.“ Darüber waren die französischen Gäste sehr angetan und sie werden dieses Projekt auch in der Gemeinde in Clermont-l’Hérault vorstellen. 

Rathaus Feldafing

Das DFEV-Projekt 2024 lernten auch fünf Jugendliche kennen, die in Possenhofen am internationalen Jugendcamp Ende Juli teilnahmen. An einem Tag, an dem sie im Schnelltrip ihre Partnerstadt Gauting kennenlernten, erfuhren Sie von den beiden Vorsitzenden der Partnerschaftsvereine Madame Corinne Torres und Frau Adriana Scipio vom Projekt. Die Jugendlichen waren mit der Thematik gut vertraut, da sie sich m Rahmen von Erasmus-Projekten an ihrer Schule auch damit auseinandergesetzt hatten.

Das Plakat zum Projekt

Wir freuen uns, dass dieses durchaus anspruchsvolle Projekt dank der abwechslungsreichen Gestaltung und einer guten Mischung aus Theorie, Praxis und Unterhaltung gut angenommen wurde. Wir bedanken uns für die großzügige Unterstützung durch den Deutsch-Französischen Bürgerfonds, aber auch bei der Sparkasse München, Starnberg, Ebersberg.

Adriana Scipio